Mit einem Gottesdienst wurde am Sonntag, 09.02.2020 die Atelierkirche „AUS DER ZEIT“ eröffnet.
Pfarrer Karl Eugen Fischer predigte über den Text aus Kohelet 3 „Alles hat seine Zeit“
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: 2 Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; 3 töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; 4 weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; 5 Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; 6 suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; 7 zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; 8 lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
„Da bildete Gott der Ewige, Adam, das Menschenwesen, aus Staub von der Erde und blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase. Und so wurde der Mensch ein atmendes Leben.“
„Windhauch, Windhauch“, sagt dazu Kohelet, der biblische Weisheitslehrer, der vor zweienhalb tausend Jahren die Gedanken über das Leben und die Zeit formuliert hat, die wir eben gehört haben.
Die Menschen, sagt er, sind kaum mehr als ein Windhauch.
Denn: „Nimmst du weg ihren Atem, so vergehen sie und werden wieder Staub. (Ps 104,29))
Wir leben zwischen Staub und Sternen.
„alles liegt an Zeit und Glück“ Kohelet 9,11
Und manchmal findet uns das Glück,
finden wir das Glück.
Das Ge- lücke
Die Lücke
in der Zeit
aus der Zeit
Nach dem ersten biblischen Schöpfungsbericht
entsteht die Zeit aus dem Chaos,
durch die Trennung von Licht und Finsternis,
durch den Wechsel von Tag und Nacht,
von Arbeit- und Ruhe.
Jenseits von Eden kommen hinzu:
Saat und Ernte
Frost und Hitze
Sommer und Winter.
Während im Kreislauf der Natur scheinbar alles wiederkehrt,
ist für uns Menschen das Vergangene ein für alle mal vorbei
und das Zukünftige, es ist nicht absehbar.
Wir sind Vorübergehende.
Kohlet sagt: Alles, was wir erleben, hat seine Stunde, (hebr. „Z’man“),
alles Geschehen unter der Sonne, eine bemessene Frist. (hebr.: „Et“).
Jede Zeit ist befristet,
hat ihren Anfang und ihr Ende.
Die Zeit des Glücks
ebenso wie
die Zeit des Unglücks.
Gott sei dank.
Wir leben ein- und ausgespannt
in Raum und Zeit.
Geburt und Tod
Liebe und Hass
Krieg und Frieden
Am Ende läuft alles auf dasselbe hinaus:
Am Anfang die Geburt,
am Ende/Ziel der Frieden.
Schalom. Salam.
Heilsein, Ganz -Sein,
Frieden eben.
Alle Werke, Widersprüche und Zeiten münden ein
in den Ruhetag:
Schalom Schabat. Aus – Zeit
Das wischt die Gegensätze nicht weg.
Aber es begrenzt ihre Macht.
In der Zeit / unter der Sonne
können wir nicht gleichzeitig:
weinen und lachen,
lieben und hassen,
Leben heilen und Leben zerstören.
Wir können entweder das eine oder das andere.
Mehrere Dinge gleichzeitig tun
bekommt mir nicht,
macht mich krank.
Alles hat seine Zeit.
Alles braucht seine Zeit.
Zeit ist Begrenzung
aber auch Befreiung:
Aus der Zeit
Hass wird nicht immer sein,
Krieg wird nicht immer sein.
sondern:
„Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu das Antlitz der Erde.“ (Ps 104,
Das heißt: Es wird einmal sein,
dass die Blinden sehen
dass die Lahmen tanzen
und die Armen nicht mehr
kämpfen und sterben müssen
für die Reichen.
Zeit und Ewigkeit
„Gott hat die Ewigkeit in unser Herz gelegt.“ sagt Kohelet.
Ewigkeit „Olám –
das ist nicht: immer,
immer weiter so –
nein,
Es ist erfüllte Zeit.
Meine Zeit und Gottes Ewigkeit
treffen sich im erfüllten Augenblick.
„… die Ewigkeit ist uns ans Herz gelegt“
Das Herz ist nach orientalischer Vorstellung
der Sitz des Verstandes, der Vernunft.
Wir Menschen haben Zeit-Bewusstsein
Wir können die Vergangenheit erforschen
und die Zukunft be-denken.
Wir können uns unseres Verstandes bedienen
um hier und jetzt das Gute zu erkennen und zu tun.
Es geht darum, im Chronos, dem dahin fließenden Strom der Zeit
den Kairos, den richtigen Augenblick zu fassen.
Was wir jetzt entscheiden
hat Auswirkungen auf die Zukunft,
das Leben unserer Kinder
Fridays for Future!
„Du sendest aus deinen Odem,
so werden sie geschaffen,
und du machst neu das Antlitz der Erde.“
Wir leben in verrückten Zeiten
Je mehr Zeit ich spare,
umso weniger Zeit habe ich,
umso oberflächlicher und flüchtiger
wird meine Lebenszeit.
Daniel Beestecher hat das erfahren,
unterwegs, auf seinen vielen Reisen
durch Raum und Zeit.
Im Spiel mit Gegensätzen und Extremen
hat er die Langsamkeit entdeckt.
Alles lief darauf hinaus,
auf seiner Wanderschaft
ohne einen Cent in der Tasche quer durch Deutschland
im Boss-Anzug durch die Tundra,
im Segelboot auf Rädern über Land durch Patagonien
mit dem Surfbrett durch die Wüste
mit seinem Vogel zwischen Dschungel und São Paulo
All das, so scheint mir, lief hinaus
auf seinen Marathon im Sommer letztes Jahr
42 km im Slow Walk, 100 Meter pro Stunde.
Diese radikale Entschleunigung ist sein Protest
gegen ein absurd beschleunigtes Leben.
Ein Leben ohne Lücke,
Herz und Glück
Ein Leben immer weiter so:
höher, schneller – Atemlos!
„Nimmst du weg ihren Odem,
so vergehen sie und werden wieder Staub.
Daniel Beerstecher inspiriert mich,
aus dieser Zeit auszusteigen
und einzutauchen in eine andere Zeitwahrnehmung:
Wer langsam geht, kommt weiter.
Wer langsam isst, schmeckt mehr,
wer langsam liest, begreift,
was in den Zeilen steht,
Wer langsam einen Raum betritt,
sieht Menschen besser, die dort sind.
Es ist die Entdeckung der Langsamkeit,
die kostbare, erfüllte Zeit.
Sie trägt die Spur des Ewigen in sich.
Sie gibt mir Kraft,
mit der Zeit
im Schweren das Leichte,
im Entsetzlichen den Trost,
im Leid die Hoffnung zu finden.
Sie ist eine Kraft Gottes,
die in den Schwachen mächtig ist,
Die Zeit ist ein – ist mein Geschenk,
um mit der Zeit das Gute in der Zeit zu tun.
Das Gute, es wandelt sich
von Zeit zu Zeit,
und ist doch nur das Gute,
wenn ihm das Licht der Ewigkeit
am Herzen liegt
Wir sind Geschöpfe Gottes,
ausgespannt und eingespannt
in Raum und Zeit,
nach Gottes Bild geschaffen.
Wir haben Anteil an der schöpferischen Kraft.
Wir können und sollen:
schöpferisch das Leben fördern.
Die Zeit zur Freundin nehmen.
Sie feiern, statt sie unterwerfen.
Nicht gegen sie laufen
sondern mit ihr leben,
sie mit Leben erfüllen
und uns von ihr erfüllen lassen.
Ewiger; du sendest aus deinen Odem,
so werden sie geschaffen,
und du machst neu das Antlitz der Erde.
“Atem gottes hauch mich an
füll du mich wieder mit leben
dass ich was du liebst lieben kann
und rette was du gegeben
Atem gottes weh mich an
bis mein herz dir offen
bis ich was du willst wollen kann
im handeln und im hoffen
Atem gottes blas mich an
bis ich ganz dein werde
bis dein feuer in mir brennt
auf der dunklen erde
Atem des lebens atme in mir
lehr mich die luft zu teilen
wie das wasser wie das brot
komm die erde zu heilen”
(Dorothee Sölle, loben ohne lügen, gedichte, breathe on me breath of god nach Edwin Hatch 1889, S.26)