Asyl in Deutschland

Ein Text von Pfarrer Karl-Eugen Fischer zu den aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.

Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (2.Tim 1,7)

Liebe Gemeinde, 

der Sommer könnte so schön sein, wenn er nicht getrübt würde durch Unwetter, meteorologisch und vor allem gesellschaftlich. 

Wieder einmal hat kurz vor wichtigen Wahlen in Deutschland eine tödliche Messerattacke stattgefunden. Als hätten sich IS und AFD abgesprochen, haben sie doch das gleiche Ziel: Hass zu schüren gegen Migrant:innen und die freiheitliche Demokratie zu zerstören.

Wieder einmal werden rechtsextreme Parteien und Kräfte profitieren. 

Reflexhaft, geradezu hysterisch werden Forderungen laut wie: Abschaffung des Asylrechts, Einreiseverbote für Flüchtlinge, konsequente Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, Abschaffung von Leistungen …

Ich habe in Talksendungen und Statements von Politiker*innen selten so viel Unkenntnis und Unsinn gehört wie in den letzten Tagen. Kaum eine:r kennt sich im zugegeben komplizierten Asylrecht aus. Der Täter von Solingen war zum Zeitpunkt der Tat nicht ausreisepflichtig. Nach einer ordentlichen Anhörung durch das BAMF ist ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt worden. Das heißt, dass er mindestens für ein Jahr in Deutschland bleibeberechtigt ist. Dass die Überstellungsfrist nach Bulgarien verstrichen ist, heißt nur, dass das Verfahren von Bulgarien auf Deutschland übergegangen ist. Die Regelung dient dazu, dass die Staaten an den EU Außengrenzen nicht alleine die ganze Last der Asyl-Verfahren tragen müssen. Es geht also gar nicht um einen misslungenen Abschiebeversuch. Wenn es einen Fehler gab, dann bei der Beurteilung des Falles durch das BAMF. Die Frage ist, ob die Entscheider durch die Anhörung hätten herausfinden können, dass der Mann ein Islamist ist.

Erschreckend ist, wie diese schlimme Tat für politische Zwecke missbraucht wird. Alle Asylbewerber werden unter Generalverdacht gestellt. Besonnen und nachdenklich agierende Politiker:innen werden als schwach und unfähig dargestellt. 

Das Maßnahmenbündel, das die Regierung nun in Windeseile geschnürt hat, ist nichts anderes als panischer Aktionismus. Man könnte meinen, die AFD regiert bereits. Die Verschärfungen sind teilweise verfassungsfeindlich und bringen kein bisschen mehr Sicherheit – im Gegenteil. 

Die eigentlichen Probleme haben wir nach der Absage an Merkels Willkommenskultur selbst herbeigeführt.

99% der Geflüchteten, die ich kennen gelernt habe, – das sind in den letzten 20 Jahren nicht wenige – flüchteten nach Deutschland mit der Absicht, sich ein neues Leben aufzubauen, sich zu integrieren. Sie wollen von ihrer Hände Arbeit leben. Ihre Erwartungen an unseren demokratischen Rechtsstaat ist neben Schutz und Anerkennung die Achtung ihrer Menschenwürde. Durch die nun geplanten Maßnahmen wird ihnen dieses immer aggressiver verweigert.

Schon heute gibt es für Geflüchtete hohe Hürden, die den Integrationswillen sehr belasten und bei manchen früher oder später ersticken. 

Nur wer Hilfe bekommt, hält die oft demütigenden Prozeduren durch, ohne Schaden zu nehmen. 

Bedenkt: Menschen haben ihre Heimat verloren. Hier werden sie zu Leistungsempfängern gemacht, was ihnen wiederum vorgeworfen wird. Abhängig von Behörden, geht ihr Selbstwertgefühl verloren. Irgendwann ist dann alles egal. Das ist die Situation, die Terroristen und andere Kriminelle nutzen um Leute für sich zu rekrutieren. 

Aus Angst vor Pull-Effekten haben wir eine mutige integrative Willkommenskultur abgeschafft. Anstatt dass wir z.B. die Erfahrung der Geflüchteten nutzen, um Terroristen und Extremisten zu demaskieren, schieben wir sie ab. Ja, es wird entgegen allen Vorwürfen viel abgeschoben – leider viel zu oft unbescholtene Einzelne und Familien. Die Kriminellen finden immer Wege, sich zu entziehen. Aber ist die Abschiebung Krimineller überhaupt sinnvoll? Wer kriminell ist, muss bestraft werden und zwar da wo er die Tat begeht, nach dem Recht, das da gilt. Eine Abschiebung in das Herkunftsland käme in Fällen von Terroristen einem Freispruch gleich. Die Taliban bejubeln die Vergewaltigung von ungläubigen Frauen als Heldentat.

Lassen wir uns nicht von der Furcht leiten, sondern von der Besonnenheit, der Kraft und der Liebe. Lasst uns wachsam sein und Kontakt mit geflüchteten Menschen aufbauen. Lasst uns gemeinsam unsere freiheitlichen Werte leben und wenn nötig verteidigen. Es liegt in der Natur der Freiheit, dass sie missbraucht werden kann. Diesem Missbrauch begegnen wir am besten, indem wir die Voraussetzungen abschaffen, die ihn begünstigen: Armut, soziale Ungerechtigkeit, gesellschaftliche Ausgrenzung, mangelnde Bildung und verweigerte kulturelle Teilhabe.

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. 

Pfarrer Karl Eugen Fischer

pedai